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Interessengemeinschaft S-Bahn München e.V.
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Die Baureihe 420 der Deutschen Bahn

Eine Erfolgsgeschichte seit über 30 Jahren

Für die neu entstehenden S-Bahn-Systeme im Bereich der damaligen Deutschen Bundesbahn musste ein Schnellbahnfahrzeug entwickelt werden. Die vorhandenen Fahrzeuge der Nachkriegsbaureihen 427, 430, 456 waren nicht für die im Bau befindlichen Tunnelstrecken in München und Frankfurt geeignet. Hohe Beschleunigung, stufenloser Einstieg und viele Türen für einen schnellen Fahrgastfluss sollten das neue Fahrzeug auszeichnen.

Die Auslieferung des ersten Fahrzeuges, der 420 001, erfolgte am 30. November 1969. Der letzte abgenommene Zug war am 27.10.97 der 420 486. Insgesamt wurden 480 Triebzüge sowie zwei Endwagen und zehn Mittelwagen, als Ersatz für verunfallte und durch Brandstiftung zerstörte Einzelfahrzeuge, gebaut.

Aufbau

Ein Triebzug (Kurzzug) besteht aus drei kurzgekuppelten Wagen, einem Mitteltriebwagen Baureihe 421, zwei< Endtriebwagen 420.0 (A-Teil), 420.5 (B-Teil) und hat eine Länge von 67,40 m. Es gibt also keinen Bei- oder Steuerwagen. Die Endwagen sind bis auf das Traglastenabteil, welches bei den Bauserien 1 - 6 nur im A-Teil vorhanden ist, gleich aufgebaut. Ein Mehrfachbetrieb aus 2-fach (Vollzug) und 3-fach (Langzug) gekuppelten Zügen ist möglich.

Die Verbindung zwischen den Einheiten wird mittels einer selbsttätigen Mittelpufferkupplung der Bauart Scharfenberg ermöglicht. Hierbei werden auch die elektrischen und pneumatischen Leitungen miteinander verbunden. Eine Heizung der Scharfenbergkupplung sorgt auch im Winter für die Funktion dieses Bauteiles.

Ein Kurzzug weist 194 Sitzplätze in beiden Klassen auf und hat auf jeder Wagenseite 12 Doppel-Taschenschiebetüren mit einer Sitzteilung 2 + 2. Im Mittelwagen waren ursprünglich zwei 1. Klasse Abteile mit gesamt 33 Plätzen eingebaut. Ab der 4. Bauserie wurde nur noch ein Abteil mit 17 Plätzen angeboten. In München wurde 1973 die 1. Klasse völlig abgeschafft und ab 1984 wurden auch diese Abteile der 2. Klasse angeglichen.

Um den Fahrgästen auch im Innenraum ein neues Design anzubieten wurden ab der 7. Bauserie die Abteilwände entfernt, freundliche Farben und neue stoffbezogene Sitze verwendet. Ab Juni 1994 wurden auch bei den vorhandenen Zügen die dennoch sehr bequemen Polstersitze durch eine neue, sehr harte, aber vandalismusresistente, Bestuhlung ersetzt. Zusätzlich wurde noch bis Ende 1998 bei den Zügen ab der Nummer 131 das sog. ReDesign durchgeführt, bei dem alle Zwischenwände entfernt wurden und durch die Verwendung von Glas und Chrom der vorher sterile weiße "Krankenhauslook" gedämpft wird. Bei den Zügen bis zur Nummer 130 (=Stahlendwagen) hat man das ReDesign Programm schon nach vier Zügen gestoppt, da diese durch die Baureihe 423 ersetzt werden.

Als Werkstoff wurde bei den Endwagen der 1. Bauserie und bei den ersten zehn Zügen der 2. Bauserie Stahl verwendet. Alle Mittelwagen und alle Endwagen ab der Nummer 131 wurden aus Aluminium gefertigt. Die Entwicklung des wagenbaulichen Teils wurde von den Firmen MAN, Nürnberg und WMD, später MBB Donauwörth ausgeführt. Gebaut wurden die Serienzüge von den Firmen MAN, O&K, LHB, DWM (später Waggon Union), WMD, Rathgeber und Waggonfabrik Uerdingen (später DUEWAG).

Elektrischer Teil

Das Fahrprogramm sieht eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h vor. Sie wird mit eine Anfahrbeschleunigung von 1,0 m/s2 von 0-60 km/h und einer Reisebeschleunigung von 0,9 m/s2 in 43 sec. erreicht. Die Bremsverzögerung beträgt 0,9 m/s2 aus 120 km/h für die elektrische Betriebsbremse. Bei einem der Auslegung zugrunde gelegten Halteabstand von 2,7 km wird bei 30 sec. Haltezeit eine Reisegeschwindigkeit von 65 km/h erreicht.

Um dies zu erreichen sind sämtliche 12 Achsen des Triebzuges angetrieben. Die sich aus dem Fahrprogramm ergebende Motor-Dauerleistung beträgt 12 x 200 kW = 2400 kW. Diese ist in zwei voneinander unabhängigen Antriebsanlagen mit je einem Transformator und je sechs Fahrmotoren aufgeteilt. Diese Aufteilung in zwei völlig autarke Anlagen hat sich im Betrieb als sehr hilfreich erwiesen, ein liegen bleiben auf offener Strecke zu vermeiden. Denn auch mit nur einer betriebsfähigen elektrische Anlage konnte ein Triebzug die Strecke ohne Probleme räumen.

Der Triebzug besitzt eine elektrische Widerstandsbremse mit elektropneumatischer Druckluftergänzungsbremse, welche ab ca. 55 km/h wirksam wird und die dann abfallende elektrische Bremskraft entsprechend ergänzt. Die in den Bremswiderständen erzeugte Wärme wird im Winter für die Luftheizung genutzt und gelangt im Sommer direkt ins Freie. Gerade die im Sommer anfallende nicht nutzbare Wärme führt jedoch, v.a. im Nachmittagsberufsverkehr, zu teilweise recht hohen und unangenehmen Temperaturen auf den Tunnelbahnhöfen und auch in den Fahrzeugen. Eine im Rahmen der Planungen angedachte zusätzliche Entlüftung im S-Bahnhof Marienplatz wurde jedoch beim Neubau verworfen, da man damals der Ansicht war, dass der Luftzug durch die ein- und ausfahrenden S-Bahn-Züge für genügenden Luftaustausch sorgen würde. Schließlich ist noch als Sicherheitsbremse eine durchgehende Druckluftbremse vorhanden.

Die Zug- und Bremskraft wird elektronisch geregelt. Dabei wird für die Fahrsteuerung eine Phasenanschnittsteuerung mit zwei in Reihe geschalteten, unsymmetrisch halbgesteuerten Thyristor-Gleichrichterbrücken verwendet. Die Baureihe 420 war das erste Serienfahrzeug im Bereich der DB, welches mit einer Thyristor-Phasenanschnittsteuerung ausgerüstet war. Die Regelung der Zug- und Bremskraft erfolgt stufenlos und sehr rasch, so dass ein angenehmes Fahrverhalten ohne Schaltsprünge gewährleistet ist. Nachteilig an der Phasenanschnittsteuerung mit zwei unsymmetrisch halbgesteuerten Brücken in Folgeschaltung ist jedoch, der gegenüber der konventionellen Amplitudensteuerung der Wechselstrommotoren, niedrigere Leistungsfaktor und der daher höhere Blindleistungsbedarf. Deswegen waren umfangreiche Kompensationseinrichtung zu errichten um den Blindstrombedarf zu reduzieren. Die Fahrmotoren beim ET 420 sind eigenbelüftete Mischstrommotoren mit Reihen- und Fremderregung. Letztere wird ebenfalls über Thyristoren verändert und so geregelt, dass sie in ihrer Charakteristik einer Reihenerregung entspricht.

Durch die schon erwähnte Aufteilung der Antriebsausrüstung auf alle Achsen wurde eine große Zahl an Steuerungsgeräten erforderlich, so dass die Forderung nach geringen Wartungsaufwand besonderes Gewicht erhielt. Durch die Verwendung von Halbleiterelementen konnte die Zahl der beweglichen Bauteile erheblich vermindert werden. Die elektrische Ausrüstung wurde wegen des Zeitdrucks der bevorstehenden Olympiade 1972 in München von allen drei Großfirmen (AEG, BBC und SSW) gemeinsam entwickelt, wobei jede Firma für bestimmte Projektionsbereiche und Bauteile federführend war.

Einsatz:

Der Zug sollte in den neu entstehenden S-Bahnnetzen eingesetzt werden und um eine eindeutige Identifikation mit seiner S-Bahn zu ermöglichen, sollte jedes S-Bahnnetz eine eigene Farbgestaltung bekommen. So war für München, nach einer Befragung der Bevölkerung, eindeutig die kieselgrau/grünblaue Lackierung der Sieger. Für das Rhein-Ruhrgebiet war die kieselgrau/reinorange und für das Frankfurter (und später auch Stuttgarter) Netz die kieselgrau/karminrote Lackierung vorgesehen.

In Stuttgart war zu Beginn der 420er-Einsatz noch gar nicht geplant, aber die beträchtlichen Steigungen im dortigen Netz erzwangen 1975 dann doch die Verwendung des antriebsstarken 420. Da nach der Lieferung der Züge für München die weiteren Bestellungen nur zögerlich kamen, mussten in Frankfurt orange Züge der für das Rhein-Ruhr Netz gedachten 2. Bauserie verkehren. Somit ist es dort nie zu einem Einsatz von roten Zügen gekommen und man hat alle weiteren Bestellungen ab der 3. Bauserie dann in kieselgrau/orange getätigt.

In Frankfurt fuhren die Züge zu Beginn noch als Nahverkehrszüge, da der S-Bahntunnel erst Sommer 1978 in Betrieb ging. In Stuttgart wurde der S-Bahntunnel im Oktober 1978 eröffnet. Im Rhein-Ruhr-Gebiet sorgte politischer Druck dafür, daß die 420er einem Wendezugbetrieb mit Loks der Baureihe 111 und den neu entwickelten X-Wagen weichen mußten. Seitdem hat es aber immer wieder Aushilfen, der beim Personal sehr beliebten, Baureihe 420 gegeben; bis zum Fahrplanwechsel Ende Mai 1998 waren 420 305 und 308 im Rhein-Ruhr-Netz stationiert.

Der Grund, für diese im S-Bahnbetrieb unsinnige Betriebsweise liegt darin, dass in den frühen 80er Jahren die deutsche Lokomotivbauindustrie durch diese Maßnahme gestützt werden sollte. Bei einem Wendezug profitierten sowohl die Waggonbaufabriken, als auch die Lokomotivbaufirmen , während bei der Baureihe 420 nur die Waggonbaufirmen zum Zug kamen. Heute, wo die E-Firmen Siemens und Bombardier sowieso beide Firmentypen übernommen haben, sind solche Überlegungen überholt.

Seit 2000 ist die Baureihe 423 auch in Düsseldorf stationiert. Aus Vereinheitlichung und um die leichtere Austauschbarkeit der Züge zwischen den Netzen zu erleichtern, wurde entschieden, nicht nur in Frankfurt und später auch Stuttgart orange Züge einzusetzen, sondern auch ab 1984 den Münchnern ihr geliebtes weiß/blau zu nehmen. Im Rahmen des neuen Farbschemas von 1988 wurde eine leichte Modifikation des orangen Farbschemas erforderlich. Dem "normalen" Fahrgast ist dies jedoch kaum aufgefallen, denn es blieb ja bei fast den gleichen Farben und der fast gleichen Aufteilung. Sonderlinge gab es erst 1991 wieder mit der Flughafenbahn in München, wofür 15 Züge der 2. Bauserie umlackiert und 6 Züge neugebaut wurden, welche die spezielle Flughafenblaue Lackierung erhielten. Seit 1997 werden die Züge in verkehrsrot mit weißen Türen umlackiert, welches einen völligen Wandel in der Farbaufteilung bewirkt hat.

Auch an Ausbesserungswerken haben die 420er schon einiges gesehen. Während bis 1988 die Frankfurter und Plochinger Züge im AW Stuttgart Bad Cannstatt revisioniert wurden, war für die Münchner Züge bis 1990 das AW München Freimann zuständig. Nachdem diese beiden Werke "platt" gemacht wurden, wurde das AW Nürnberg, ein bis dahin reines Diesel-AW, für die 420er angepasst. Nachdem nun das Werk Nürnberg jetzt zu DB Reise&Touristik (ex GB Fernverkehr) gehört, sind die 420 dort auch wieder nur ein ungeliebter Fremdkörper. Die neuerliche Umstationierung in das neue DB Regio Werk Krefeld-Oppum, welches z. Zt. für die Baureihen 423 - 426 angepasst wird, ist nicht mehr geplant, so dass das Werk Nürnberg trotzdem die letzte Werkstätte bleiben wird, was ja hinsichtlich der Überführungsfahrten dieser rein süddeutschen Baureihe auch sinnvoll ist.

So bleibt es nur den wenigen Idealisten vorbehalten, das Andenken an die Baureihe 420 so zu erhalten, dass die Bevölkerung wehmütig ihrem, trotz aller Widrigkeiten zuverlässigen Arbeitstier Olympiatriebzug nachtrauert, wie sie es verdient hat.

Abschließend noch ein wenig Statistik:

Fahrzeug Bauserie Baujahr Beheimatung
420 001 - 003 Prototypen 1968 München-Steinhausen
420 004 - 120 1. Bauserie 1970-72 München-Steinhausen
420 121 - 200 2. Bauserie 1972-75 München-Steinhausen
420 201 - 260 3. Bauserie 1976-78 Frankfurt-Griesheim
420 261 - 324 4. Bauserie 1977-79 Frankfurt-Griesheim
420 325 - 346, 350, 356, 361 und 368 5. Bauserie 1979-80 Frankfurt-Griesheim
420 347 - 370 5. Bauserie 1979-80 Plochingen
420 371 - 390 6. Bauserie 1980-81 Plochingen
420 400 - 424 7. Bauserie 1989-92 Plochingen
420 425 - 430 7. Bauserie 1989-92 München-Steinhausen
420 431 - 465, 470 - 485 und 487 8. Bauserie 1993-96 Plochingen
420 466 - 469, 486, 488 und 489 8. Bauserie 1993-96 München-Steinhausen

Stand: 06/02

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Einleitung

Der Aufbau

Elektrischer Teil

Einsatz

Statistik

Technische Daten

zeitliche Lieferfolge
und Besonderheiten

Bauart

Kenndaten


Wussten Sie,
dass...

ein in München
eingesetztes Fahrzeug der Baureihe 420 im Durchschnitt 90 mal um die Erde gefahren ist?